Archiv: Rezensionen zu Literatur und Film

Dienstag, 14. Mai 2013

Rezension: Solanin (Band 1, Inio Asano)






Japan 2005/2006 (Abgeschlossene Geschichte in 2 Bänden)

Originaltitel: Soranin
Veröffentlichung (Deutschland): April 2013
Verlag: Tokyopop
Zeichner: Inio Asano
Übersetzung: Sakura Ilgert
Genre: Slice of Life, Musik
Kategorie: Seinen
Altersempfehlung des Verlags: Ab 15
Preis: 12 Euro





"In Tokyo lauert ein Ungeheuer in seinem Versteck." - Meiko


Niemand hat je behauptet, es würde leicht werden, diese Sache mit dem Erwachsenwerden. Genau das ist die Essenz, um die es in Inio Asanos vermutlich bekanntestem (Punpun ist ja noch nicht abgeschlossen) Werk geht. Der Zweiteiler ist eine ordentliche Portion tägliches Leben, verfeinert mit etwas Musik. Verdammt guter Musik, muss ich gestehen. Dazu aber später mehr.
Mit Solanin spricht Mangaka Inio Asano die Generation an, die in den 80ern geboren wurde, und in den 90ern und der Zeit nach der Jahrtausendwende aufgewachsen ist. Eine Generation, nach den großen Kriegen und Konflikten, deren einziger Konflikt darin besteht, mit sich selbst zu kämpfen. Keine Überraschung, dass diese erfrischend bodenständige Geschichte so erfolgreich war. Erfolgreich auch im Sinne von internationalen Auszeichnungen. Im Jahre 2010 wurde der Manga dann in Japan auch noch verfilmt.

Die Ereignisse von Solanin (nach einem Song im Manga) werden erzählt von Meiko. Mit ihren 24 Jahren weiß sie noch nicht viel mit ihrem Leben anzufangen. Fühlt sich überflüssig in der Gesellschaft, und, ganz besonders, ist von dieser Gesellschaft extrem genervt. Seit fünf Jahren ist Meiko mit Taneda zusammen. Beide lernten sich auf der Universität kennen. Doch Taneda weiß genau so wenig was mit seinem Leben anzufangen. Er lebt von einen Tag in den nächsten hinein und hat einen Nebenjob als Zeichner bei einer kleinen Firma angenommen. Allerdings ist die große Leidenschaft von Taneda die Musik. Er selbst spielt Gitarre und fungiert als Frontsänger. Mit seiner Band, so träumt er, möchte er einmal den großen Durchbruch schaffen. Seine Band besteht aus zwei weiteren Mitgliedern. Bassist Kato, ein Langzeitstudent, der mit seinem Studium vermutlich niemals fertig wird, und Billy, der Drummer, der, weil er keine andere Alternative bisher sah, den Job in der Apotheke seiner Familie angenommen hat. Meiko und Taneda sehen sich aber zu höherem bestimmt. Beide kündigen sie ihren Job und Taneda nimmt sich fest vor, mit der Musik zukünftig sein Geld zu verdienen. Noch weiß Meiko aber nicht, was das Schicksal für eine grausame Wendung für sie auf Lager hat.



Ich gehöre zu dieser Generation, die Inio Asano in dem Manga thematisiert. Ich fühle somit nicht nur mit den Charakteren mit, ich fühle mich auch angesprochen. Solanin handelt von Menschen, die sich in einer überfüllten Gesellschaft überflüssig fühlen. Lebt man seine Träume, und zieht den Hauptpreis, oder soll man sich doch lieber für die einfache Methode entscheiden, einen Job annehmen, der einem vielleicht nicht so liegt, aber dafür dann auf der sicheren Seite ist? Vielleicht ist der Trostpreis ja die bessere Alternative? Immerhin ist das Wagnis nicht sehr groß, und man fällt relativ weich, wird man aus einem Job entlassen, den man sowieso nicht leiden konnte. Ja, wir Twens haben es eindeutig nicht leicht, so mitten im Leben. Ab wann darf man sich alt fühlen? Und wann ist der letzte Zug abgefahren? Inio Asano spricht für eine komplette Generation. Und egal ob man gerne Manga liest und Videospiele spielt, ein erfolgsorientierter Junggeselle ist oder sich mit Personen aus dem RTL II Abendprogramm identifiziert, sie alle werden sich irgendwie in Solanin wiederfinden. Und am Ende des ersten Bandes zündet Inio Asano die Bombe, und lässt den Leser mit einem fiesen Cliffhanger zurück.

Der Zeichenstil ist, wie nicht anders erwartet, hinreißend. Noch nicht ganz so detailliert und verspielt wie bei Gute Nacht, Punpun, aber Asanos Handschrift ist eindeutig zu erkennen. Die realistischen Artworks werden immer mal wieder von einigen abstrakten Zeichnungen und Grimassen der Charaktere durchzogen. Die Hintergründe sind meistens schlicht gehalten, passen aber perfekt zum Stil des Manga. Hin und wieder fährt Inio Asano auch größere Geschütze auf und präsentiert einen idyllischen Strand oder die beklemmende Großstadt. Von den Artworks sollte man sich aber selbst ein Bild machen. Mir fehlt das dazugehörige Talent, Kunst zu erklären und zu beurteilen ;)

Die Veröffentlichung von Tokyopop ist wieder einmal vielen aktuellen Veröffentlichungen diverser anderer Verlage erhaben. Wie bereits bei Gute Nacht, Punpun, wird Solanin in einer Klappenbroschur präsentiert. Die Verarbeitung ist damit wesentlich robuster als ein normales Taschenbuch und sieht auch schöner aus. Anders als bei Punpun wird Solanin jedoch im Großformat veröffentlicht. Und wie ich sehe, will man so auch bei den kommenden Inio Asano Veröffentlichungen im Herbst bei Tokyopop verfahren. Knapp 200 Seiten ist der erste Band dick, und bei 12 Euro investiert man keinen Cent vergebens. Schon gar nicht, wenn man bedenkt, dass diese Geschichte bereits nach zwei Bänden abgeschlossen ist.


Resümee

Der erste Band des Zweiteilers ist bereits jetzt ein beeindruckendes Werk. Solanin spricht eine Zielgruppe an, die ihren Platz in der Gesellschaft noch finden muss. Weniger vergleichen darf man den Manga jedoch mit Beck von Harold Sakuishi (eine Serie, die nicht minder fantastisch ist). Zwar ähneln sich beide Werke ein wenig was die Thematik angeht, und, ja, es geht auch um Musik, allerdings verfolgen beide Manga dann doch ein anderes Ziel. Zumal der Fokus bei Beck eindeutig auf die Musik gerichtet ist.

Fans von Inio Asano werden Solanin sowieso nicht verpassen. Daher gilt mein Aufruf eher an die Leser, die bisher von seiner Arbeit nichts wissen: Leute! Solanin (wie auch alle anderen Werke von Asano) ist eine Pflichtlektüre. Selten hat sich die japanische Zeichenkunst nach der Jahrtausendwende so sehr von seiner goldenen Seite gezeigt wie in Asanos Geschichten. Und genau das macht diesen Mangaka so unverzichtbar für unsere Generation.

Mein Dank geht an das Team von Tokyopop, die mir den ersten Band von Solanin als Rezensionsexemplar zugesendet haben. Domo Arigato Gozaimasu.




Zugabe

Jetzt möchte ich aber noch den Soundtrack erwähnen, von dem ich vorhin sprach. Zwar könnte ich auch nun etwas aus dem Film posten, allerdings könnte das zu viel von der Story verraten. Stattdessen möchte ich die Rezension mit dem Song Solanin von der Asian Kung-Fu Generation verabschieden. Zwar gehört der Song auch zum Film, versetzt die Hörer aber besser in die Welt des Manga, als die Version, die im Film gesungen wird (und der dazugehörige Auftritt der Band zeigt zudem keine Szenen aus der Verfilmung). Der Text des Songs wurde aus dem Manga übernommen und stammt somit von Inio Asano persönlich.



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