Archiv: Rezensionen zu Literatur und Film

Dienstag, 5. Mai 2015

Rezension: Traumlieder 2 (George R. R. Martin)







USA 2003

Traumlieder II
Autor: George R. R. Martin
Originaltitel: Dreamsongs Volume 1/2
Erscheinungsjahr in Deutschland: 09. Februar 2015 beim Heyne Verlag
Übersetzung: Maike Hallmann, Lore Straßl, Susanne Grixa, Rainer Gladys, Eva Bauche-Eppers, Michael Windgassen, Jürgen Langowski, Hannelore Hofmann, Joachim Körber, Michael Fehrenschild, Berit Neumann
Genre: Kurzgeschichten, High Fantasy, Dark Fantasy, Horror, Science-Fiction


Fand sie ihn schließlich, ihren Liebsten mit den feurigen Augen? Oder sucht sie ihn noch heute? Auf welchen Wächter wird sie als Nächstes stoßen?
Wenn sie nachts als Fremde in einem einsamen Land dahinwandert, hat der Himmel Sterne?
Ich weiß es nicht. Er weiß es nicht. Vielleicht wissen nicht einmal die Sieben es. Sie sind mächtig, ja, aber nicht allmächtig, und die Zahl der Welten ist größer, als selbst ihnen bewusst ist.
Es gibt ein Mädchen, das zwischen den Welten wandelt, doch sein Weg ist jetzt in der Legende verloren. Vielleicht ist sie tot, vielleicht auch nicht. Neuigkeiten verbreiten sich langsam von Welt zu Welt, und nicht alles entspricht der Wahrheit.
Eines aber wissen wir: In einer leeren Burg unter einer purpurnen Sonne wartet ein einsamer Minnesänger, und seine Lieder erzählen von ihr. - Aus: "Die einsamen Lieder Laren Dorrs"


In drei prall gefüllten Sammelbänden bringt der Heyne Verlag George R. R. Martins beeindruckende Kurzgeschichten und Erzählungen. Ja, beinahe lesen sie sich wie Märchen. Aber bei einem genaueren Blick erkennen wir die wahre Gestalt dieser Märchen; George R. R. Martins "Traumlieder" sind bitterböse, melancholische Songs aus fremden Welten. Martin ist ein begnadeter Komponist und verfasste Geschichten, keine wie die andere. Traumlieder II ist ein sehr langer Longplayer, und jede einzelne Single war ein Highlight für sich.

Man könnte meinen, durch all den Hype rund um "Das Lied von Eis und Feuer" aka "Game of Thrones" könnte eine Übersättigung entstanden sein. Ein gewisser Verschleiß der sich immer breit macht, wenn eine langjährige Saga auf einmal ungeahnte Erfolge feiert, und die ganze Welt über die Geschehnisse dieser Saga redet. Und auch ich dachte, der Verschleiß rund um Game of Thrones würde nicht lange auf sich warten lassen. Nun näher die TV-Serie sich ganz langsam ihrem Höhepunkt während Martins Fans der gedruckten Worte noch viele Jahre auf das Ende der Saga warten müssen. Der große Zampano lässt sich halt Zeit, und diese sei ihm mehr als vergönnt. Denn dies gibt den Lesern die Zeit, sich durch Martins weitere große Werke zu lesen. Wir verfolgten Haviland Tufs Abenteuer im Weltraum oder schwangen uns auf den Rücken eines Eisdrachen. Das Ziel der Reise war stets unbekannt und unsere Reisegefährten hätten zwielichtiger nicht sein können. Das Universum von George R. R. Martin scheint unbegrenzt zu sein. Eine neue Welt wartet in jeder einzelnen Geschichte.
Ob als Autor, Herausgeber oder Produzent; George R. R. Martin kam zu einem späten Ruhm, und er hat nun sämtliches Recht darauf, diesen auszukosten. 

Auf über 600 Seiten ist im zweiten Band der Traumlieder eine Sammlung verschiedenster Geschichten enthalten. Allerdings haben wir es hier nicht mit einem wirren Sammelsurium an Resteverwertung zu tun. Martin präsentiert seine Sammlung in genau 3 Abschnitten: "Die Erben der Schildkrötenburg", "Hybride und Horror" und "Eine Kostprobe von Tuf". Jede dieser Kategorien ist mit Kurzgeschichten unterschiedlichster Genre (der Schwerpunkt bleibt aber beim Fantasy) ausgestattet. Und, richtig gelesen, sogar ein Wiedersehen mit unserem Planetenwanderer Haviland Tuf gibt es. Versehen ist jeder Abschnitt im Buch mit persönlichen Worten des Autors, die mindestens genau so unterhaltsam gestaltet sind wie die Geschichten selbst. Man bekommt einen interessanten Einblick in Martins Welt. Sympathisch und mit viel Witz hat der Altmeister diese Abschnitte verfasst, ohne dabei zu autobiografisch zu werden.

Nun möchte ich in dieser Rezension gewiss nicht auf alle Geschichte eingehen und ich verspreche, diesmal werde ich mich kürzer fassen. Das Prunkstück der Anthologie liegt ganz klar bei "Die Erben der Schildkrötenburg". Der Abschnitt umfasst 3 Frühwerke von Martin. Folgende Kurzgeschichten sind enthalten: "Die einsamen Lieder des Laren Dorrs", "Der Eisdrache" und "Das verlassene Land". Alle drei Geschichten könnten sich thematisch nicht mehr von der jeweils anderen unterscheiden, und doch ist der unverkennbare Stil von Martin stets präsent. Ungewohnt ruhig und melancholisch geht es in der Geschichte rund um die Weltenwanderin Sharra zu, die Laren Dorr trifft, einen geheimnisvollen Minnesänger der alleine und gefangen in seiner eigenen Welt zu leben scheint. Der Eisdrache ist ein düsteres Märchen für Erwachsene, welches in einem Westeros spielen könnte, als Drachen noch durch die Lüfte ritten. Die Geschichte rund um das verlassene Land ist ein Hybrid beider zuvor genannten Geschichten mit einem geschickten Twist zum Ende der Geschichte. Alle Geschichten haben jedoch eines gemeinsam: Sie alle lesen sich wie der Auftakt zu einer großen Saga. Sie sind jedoch Unikate, abgeschlossene Werke. Und dennoch lassen sie den Leser mit vielen Geheimnissen zurück.


Resümee

Traumlieder II macht den Leser, genau wie die schöne Sharra, zu Weltenwanderern. Wir wissen nicht, was uns in der nächsten Geschichte erwartet. Zwischen Fantasy, Horror und Science-Fiction bewegen wir uns durch eine fremde Galaxie. George R. R. Martin beweist sich erneut als begnadeter Erzähler und bietet fernab von Königsmördern, einer riesigen Mauer aus Eis oder royalen Intrigen eine einzigartige Welt. Schnell zieht der Autor den Leser in seinen Bann. Bereits nach dem Impressum haben Martins Traumlieder mich verzaubert.

Abschließen möchte ich die Rezension mit einem Zitat von George R. R. Martin, welches gleich zu Beginn des Buches vorkommt und mich sehr beeindruckt hat:

„Die Wirklichkeit, das sind die Einkaufszentren von Burbank, die Schornsteine von Cleveland, eine Parkgarage in Newark. Fantasy besteht aus den Türmen von Minas Tirith, den uralten Mauern von Gormenghast, den Sälen von Camelot. Die Fantasy fliegt auf Ikarus' Schwingen, die Wirklichkeit mit Lufthansa. Warum schrumpfen unsere Träume so sehr zusammen, wenn sie Wirklichkeit werden?“

Schöner kann die Magie der Bücher wohl nicht mehr beschrieben werden.

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