Archiv: Rezensionen zu Literatur und Film

Donnerstag, 9. Februar 2017

Einwurf: 2017 kann jeder Schriftsteller sein!




Im letzten Jahr kamen die Einwürfe ein wenig zu kurz. Ich wurde einige male drauf angesprochen, ob es diese Rubrik nicht mehr geben wird. Im Fokus standen verstärkt Besprechungen zu Büchern, auch die Filmrubrik musste 2016 größtenteils eine Pause einlegen. Zum Ausklang des letzten Jahres habe ich mich aber wieder intensiver den Einwürfen gewidmet. Jetzt möchte ich mich auch gleich einem Thema widmen, was eine gewisse Schärfe mit sich bringen könnte, ich glaube, diese gewisse Schärfe/Brisanz ist leider nicht zu vermeiden.


Jeder kann Journalist sein

Ausgangspunkt der Überschrift ist ein Artikel, den ich vor einigen Jahren bereits gelesen habe. Der Ursprung des Artikels hat sich lange in Rauch aufgelöst und auch der genaue Inhalt des Artikels ist mir etwas abhanden gekommen. Es war jedoch die Überschrift, die sich eingeprägt hat. "Heute kann jeder Journalist sein" hieß es da. Doch wer war gemeint? Gemeint war die Zunft an Online-Journalisten, Leute, die Journalismus nicht studiert haben und sich trotzdem ihre Existenz rund um die virtuelle Berichterstattung aufgebaut haben. Das Internet und ganz besonders die Blogger würden den Löwenanteil daran tragen, dass das traditionelle Printmedium ausstirbt und sich Leute mit unzähligen Qualifikationen wie der große Zampano Claus Strunz zum Beispiel umorientieren müssen und den besonderen Fokus auf den Online-Journalismus akzeptieren müssen. Die Debatte über den Wert von Bloggern in der Welt des Journalismus hat natürlich nicht jener Artikel los getreten, dessen Überschrift mir die Idee für meinen Einwurf gab. Es war eine große Debatte, die Anklang bei vielen Leuten fand, die um ihr Bild oder Stern Abonnement fürchteten. Knapp 5 Jahre sind seit dieser Debatte vergangen. Die Kontroverse rund um Online-Journalisten die durch Affiliate-Links ihr Geld verdienen hat sich abgekühlt, das Printmedium erfreut sich immer noch großer Beliebtheit und die BWL-Studenten werden weiterhin einen Rabatt bekommen, wenn sie den Stern oder den Spiegel abonnieren. Dass die großen Herausgeber und Verlage ihr Angebot aber auf die digitale Basis ausgeweitet haben ist natürlich kein Geheimnis, dafür ist dieses Geschäft zu lukrativ. Die Aussage "Heute kann jeder Journalist sein" ist also alles andere als falsch, aber dem Wahrheitsgehalt dieser Aussage war ich mir immer bewusst. Wenn der kleine Mann aus dem Volk einen Blog eröffnen will, kann er dies innerhalb weniger Minuten tun. Wie immer ist es die eigene Motivation, ob die Karriere als Blogger ein kurzes Intermezzo ist, ein passioniertes Hobby oder der neue Beruf, mit dem man viel Geld verdienen kann, wenn man es richtig angeht. Heute kann also jeder ein Journalist sein, man kanns aber auch lassen. Das gleiche gilt fürs studieren.


2017 kann auch jeder Schriftsteller sein

Das eBook ist des Teufels Beitrag, weil er die Menschen gerne ärgert. Zumindest, wenn man den ständigen Klagen der Buchhändler lauscht. Ich stand dem eBook, als es allmählich salonfähig wurde, extrem kritisch gegenüber. Auch hier sind mittlerweile einige Jahre vergangen und die größte Aufregung hat sich gelegt. Das physische Buch und das eBook können untereinander koexistieren. Das gedruckte Buch wird auch in absehbarer Zeit nicht aus der Menschheitsgeschichte verschwinden, man kann vermutlich sogar relativ optimistisch sagen, ein Szenario, wo es einmal eine Welt ohne physische Bücher geben wird, ist nahezu ausgeschlossen (wobei meine Kristallkugel auch mal wieder ein Firmware-Update gebrauchen könnte).

Die Digitalisierung von Büchern war von vornherein immer nur ein großes Problem der kleinen, privaten Buchhandlungen, die nicht einem großen Konzern angehören. Große Buchhandelsketten wie Mayersche oder Thalia werden nie in berechtigte Existenzängste geraten sein. Dies liegt auch vor allem daran, dass die beiden großen Ketten auf Tolino und ein eigenständiges eBook Medium setzen. Die Kritik dieser Ketten richtete sich hauptsächlich gegen Amazon und seinem Flaggschiff, dem Kindle. So wird es auch sicherlich nicht das eBook gewesen sein, was das Ende für den Club Bertelsmann besiegelt hat. Die Probleme des Clubs waren dann doch wesentlich tiefsitzender.

Seit 2015 geschehen auf dem europäischen Buchmarkt Ereignisse, mit denen man nicht unbedingt gerechnet hat. Die lokalen Buchhändler in Großbritannien werden sich besonders freuen. Das eBook ist in Gesamtverkäufen eingebrochen. Nicht so sehr, dass nun das eBook selbst um seine Existenz fürchten muss, aber erstmals seit 2016 geht der Trend eindeutig wieder in Richtung Buchhandel. Der Buchhandel selbst kommentierte dies mit den steigenden Preisen für eBooks der großen Verlage und senden ihren Dank gleichzeitig an die Self-Publisher, die, so einige Experten aus dem Buchhandel, den digitalen Markt rund um die eBooks langsam zerstören werden. Erneut wird der Finger auf Amazon gerichtet. Einige Gegner des Konzerns witzeln dabei regelrecht spöttisch, Amazon würde sich mit seinen eigenen Waffen schlagen.

Doch was ist da dran? Wieso schwächen Amazon und Self-Publishing den eBook Markt? Und seit wann ist das eBook eine Waffe? Nun, die Antwort ist relativ einfach (zumindest was Punkt 1 angeht), wenn auch sicherlich nicht ultimative Antwort: Ein Kindle Unlimited Abonnement in Verbindung mit beliebten Werken von unabhängigen Autoren verdrängen die wesentlich teureren Werke namhafter Autoren und Verlage. Dies betrifft nicht nur das eBook an sich, durch Amazons Unordnung bei den Kategorisierungen von Büchern ist ein gemütliches Online stöbern kaum mehr möglich, sofern man sich nicht intensiv für Self-Publishing interessiert. Es soll nicht abwertend klingen, aber hier regiert Masse statt Klasse und Quantität über Qualität. Die angebotenen Werke der Indie-Autoren reichen von 99 Cent bis meistens 4,99 Euro. Verlockende Angebote für Schmöker-Menschen, die einen Kindle oder ein anderes Lesegerät verwenden, welche auch Amazons eBook Format bzw. ihre Kindle App unterstützen. Besitzt man ein Kindle Unlimited Abonnement, kann man eine menge dieser Titel die Amazon ins Programm aufnimmt sogar völlig kostenlos lesen. Die großen Verlage werden durch die schiere Auswahl an digitalen Indie-Büchern verdrängt und heben somit die Preise für ihre eBooks an, um die Verluste aufzufangen. Die Leserschaft ist darüber aber wenig begeistert und zieht somit das stöbern und einkaufen in den lokalen Buchhandlungen vor, weil dort die Chance auf ein qualitativ hochwertiges Produkt mehr gegeben ist, als sich die endlosen Bestenlisten auf Amazon anzusehen.

Natürlich darf man hier aber sicherlich nicht alles über einen Kamm scheren. Die Werke von Indie-Autoren reichen tatsächlich von Schund bis hin zu einigen richtig interessanten Büchern. Einige Freunde und Bekannte von mir sind diesen Weg gegangen und veröffentlichen seit nunmehr 2 Jahren ihre Bücher selbst über Amazon oder aber über unabhängige, kleine Online-Verlage. Und ausgerechnet ich, der "Online-Journalist" der niemals Journalismus studierte und einen Google-Blog führt, genau so einer sieht die Sache rund um die Indie-Autoren kritischer als vermutlich ein Großteil der digitalen Lese-Communities. Hier spricht aber nicht der Blogger aus mir der Bücher und Filme rezensiert, hier spricht der Purist aus mir. Auch ich bin der Meinung, dass die Flut an Indie-Werken auf Amazon ein unkontrollierbares Ausmaß angenommen hat. Hier handelt es sich um Werke, die sich definitiv nicht in den gleichen Ranglisten befinden dürften, in denen sich bedeutende Werke der Weltliteratur aufhalten. Die Geschichte wäre einfach zu klären, eBooks von unabhängigen Autoren einfach eine eigene Kategorie widmen und besagte Titel nicht mehr unter Bestenlisten führen, unter denen sich aktuelle Bestseller oder allgemein Titel kommerzieller Verlage befinden.
Weniger bekannte Werke junger deutscher Autoren die unter anderem bei DuMont oder dem Berlin Verlag unter Vertrag stehen haben nur selten die Chance, auf sich aufmerksam zu machen. Natürlich spielt hier wieder der Geldbeutel eine Rolle. Bezahlt man 20 Euro für den neuen Roman von Katharina Hartwell oder holt man sich für einen sogar noch günstigeren Preis lieber rund 20 eBooks (je nachdem wie viel man ausgeben möchte) von Self-Publishing Autoren? Natürlich kommt es hier auf persönliche Präferenzen an. Damit will ich nicht abstreiten, dass es unter Indie-Autoren nicht auch komplexere Werke gibt, die über die Thematik von Romantic-Horror und Zombie-Geschichten hinausgehen. Man darf nicht die Fehler machen und die günstigen eBooks alle in einen Pool zu werfen. Es ist nur die schiere Menge an täglich neuen Veröffentlichungen, die es schwer, beinahe unmöglich macht, hochkarätige Werke herauszufiltern. Und wie ich bereits sagte, ist dies nicht die ultimative Antwort, wieso der lokale Buchhandel wieder an Begehrtheit gewinnt, aber es ist vermutlich ein nicht unwichtiger Grund, wieso es derzeit so ist, wie es ist.

Das Verhältnis zum eBook in Deutschland hat übrigens nie Ausmaße angenommen wie es derzeit in Großbritannien oder auch den USA der Fall ist. Die Preise für eBooks bekannter Verlage in Deutschland waren nie attraktiv, nicht einmal charmant. Als positives Beispiel aus dem eigenen Interessenbereich fällt mir hier lediglich Festa ein, die eine absolut vorbildliche Preispolitik bei eBooks zu ihren Printausgaben führen. Doch ausgerechnet in Deutschland steigen die Verkäufe an eBooks an. Laut einem Artikel von Ingrid Süßmann liegt das auch daran, dass die Verlage ihre Preise ein wenig gedrosselt haben. Ein weiterer Grund dürfte aber auch hier Kindle Unlimited sein, was sich in Deutschland einer großen Beliebtheit erfreut.



Journalisten und Schriftsteller für alle!

Ich bin mir sicher, beide Thematiken werden weiterhin kontrovers diskutiert werden. Fakt ist, genau so wie jeder von uns ein Online-Journalist werden kann, kann jeder von uns Schriftsteller werden. Beide Karrieren waren auch vorher für Jedermann möglich, aber erfolgreich hat sich in den vergangenen Jahren bewiesen, mit etwas Engagement ist beides wesentlich einfacher zu erreichen. Das Wort "Bequem" möchte ich hier nicht in den Mund nehmen. Ob als Blogger oder Indie-Autor, wenn man Erfolg haben will, in Erinnerung bleiben möchte, der muss am Ball bleiben. Lediglich der Start wird einem in der heutigen Zeit erleichtert. Was man von beiden Gruppierungen halten mag, nun, da muss jeder für sich selbst urteilen. Aktuell reibt sich aber nicht nur der lokale Buchhandel die Hände. Auch Amazon profitiert und ermöglicht zahlreichen Indie-Autoren ihr Debüt. Also eine Win-win Situation, oder? Nun, wir wollen es uns mal nicht zu einfach machen.



Anhang
Aktuelle Statistiken zu den Verkäufen von eBooks: No Shelf Required
GoodEreader.com: Indie Authors are responsible for the US eBook decline

2 Kommentare:

  1. Hattest Du den Artikel gelesen?:
    https://www.boersenblatt.net/bookbytes/artikel-selfpublishing.1283984.html

    Den fand ich super interessant.

    AntwortenLöschen
  2. Japp. Leider erst nachträglich. Werde ich noch irgendwie in den Einwurf hier einbauen = )

    AntwortenLöschen