Archiv: Rezensionen zu Literatur und Film

Donnerstag, 22. März 2018

Aufziehvogel's Geschichtsstunde: Als Hellraiser amerikanisch wurde




In einer Retrospektive aus dem Jahr 2015 setzte ich mich schon einmal mit dem Thema auseinander. Jetzt möchte ich auf das Hellraiser Franchise und seiner turbulenten Historie seit der Übernahme der Produktionsfirma Dimension genauer eingehen.

Hellraiser war zu seiner Veröffentlichung im Jahr 1987 eine erfrischend britische Alternative zu den amerikanischen Slasher-Filmen, dem sogenannten Grindhouse-Kino was seinen Zenit allmählich hinter sich hatte. Hinter dem visionärem Horrorfilm dessen Spezialeffekte bis heute teilweise noch unerreicht sind steckt das britische Multitalent Clive Barker. Barker verfilmte hier seine eigene Novelle "The Hellbound Heart" und setzt diese ziemlich detailgetreu um. Zugeben, Barker dürfte den meisten Fans eher als Autor und weniger als Filmregisseur bekannt sein, so war der erste Hellraiser gleichzeitig auch die letzte Regiearbeit Barkers an dem Franchise. Barker zog sich als Filmemacher zurück und fungierte fortan als Produzent, als immer wachsames Auge und war besonders bei der Fortsetzung für die Geschichte zuständig. Clive Barker selbst hielt dem Franchise lange die Treue, so lange, bis es selbst dazu kam, dass er mit dem gesamten Hellraiser-Universum nicht mehr in Verbindung gebracht werden möchte (seine Beteiligung hielt bis Teil 6).

Teil 1 konnte größtenteils als britische Produktion betrachtet werden (für die Finanzierung der ersten beiden Filme war größtenteils die amerikanische Produktionsfirma New World Pictures zuständig, dies hatte aber keinen großen Einfluss auf die Filme). Man setzte komplett auf eine Riege an britischen Schauspielern, einem britischen Team hinter den Kameras und einer Filmlocation in London. Beiden Filmen haftet die britische art der Filmkunst an. Auf flache Oneliner der Bösewichte wurde verzichtet, die Cenobiten wurden so grausam und skrupellos wie möglich dargestellt. Diese sehr ernste Machart des Films sorgte stets für eine angespannte Atmosphäre, den Zuschauern wurden selten Verschnaufpausen gegeben.

Hellraiser II war eine direkte Fortsetzung des Erstlings und erschien überraschenderweise zuerst ende 1988 in den USA anstelle des Heimatlandes Großbritannien. Obwohl das Script und die Story häufiger umgeschrieben wurden, verlief die Produktion größtenteils reibungslos. Zwar war Hellbound: Hellraiser II noch immer ein Horrorfilm, es schlichen sich aber auch mehr und mehr phantastische Elemente ein, die zusätzlich den Fantasy-Charakter des Films unterstrichen. Musste Clive Barker für den Vorgänger noch Schnitte für die MPAA vornehmen um ein R-Rating zu erhalten, so hat sich Barker bei der Fortsetzung bewusst dazu entschieden, von der MPAA ein X-Rating zu erhalten (diese Freigabe wurde später durch das gefürchtete NC-17 ersetzt). Auch noch heute genießt die Fortsetzung unter Fans ein hohes Ansehen.

Kommen wir nun aber zum Kernthema dieser Geschichtsstunde. Mit Hellraiser III: Hell on Earth begann gleichzeitig auch ein schleichender Niedergang des Hellraiser-Franchise. Hellraiser III war nicht nur der erste Ableger in der Reihe, der komplett in den USA mit amerikanischen Schauspielern gedreht wurde, es war auch die Zeit wo Bob Weinstein mit seiner Produktionsfirma Dimension Interesse an der Marke gefunden hatte. Die Produktion zu Hellraiser III war kompliziert und nach der falschen Vermarktung von 20th. Century Fox zu Barkers Film Nightbreed ging dieser an den amerikanischen Kinokassen unter. Nightbreed war ein Flop und Fox wandte sich von Hellraiser III ab. Es war schwer, einen neuen Geldgeber zu finden. Als Hauptgeldgeber fand sich später Dimension Films, die den Film anschließend unter ihrem Miramax-Label veröffentlichen würden. Zumindest die Regie übernahm hier noch immer ein Brite, Anthony Hickox. Während der Produktion sind zahlreiche Probleme entstanden die wiederum häufig mit Bob Weinstein zusammenhingen, allerdings unterscheiden sich die Aussagen von Hickox und Barker teilweise. Weinstein bestand auf mehr Action, mehr Gewalt und mehr Spezialeffekte. Dies resultierte unter anderem darin, dass Hellraiser III einer der ersten Horrorfilme mit computergenerierten Effekten wurde. Barkers Aussagen nach zu Urteilen fand die Effekte billig und bestand darauf, im Abspann nicht namentlich als Produzent genannt zu werden. Es gab einen Dissens zwischen Barker und Weinstein, beide einigten sich jedoch und Barker wird im Abspann wieder gelistet.

Am Ende ist Hellraiser III, wenn auch mit deutlichem Vorsprung der schwächste Ableger der ersten drei Filme, ein halbwegs solider Film geworden. Schauspielerisch wird der Film alleine von Doug Bradley getragen, der hier erneut die Rolle des Höllenpriester Pinhead übernimmt (tatsächlich der erste Film, wo dieser Name etabliert wurde). Doch alles, was die Vorgänger ausmachte fehlt in diesem Ableger. Der Film ist komplett auf Unterhaltung getrimmt. Es ist ein Film, der die 90er repräsentiert und den typischen Stil etablierte, wofür die Weinsteins heute bekannt sind. Hellraiser III ist gespickt mit fragwürdigen Onelinern, viel Splatter, explodierenden Autos und mehr Pinhead. Mehr Pinhead, mehr Cenobiten. Hellraiser III beweist, wer den Wunsch hat, so kann jeder ein sadomasochistisch veranlagter Cenobit werden. So unterhaltsam der Film ist, so plump ist er am Ende. Eleganter Horror vermischt mit Fantasy-Elementen mussten schneller Action und viel Gekröse weichen. Dimension wusste, es war der nächste Schritt der Reihe, in diese Richtung zu gehen. Zusätzlich war man sich um der Beliebtheit des Charakters Pinhead bewusst und spendierte diesem eine sehr großzügige Screentime.

Hellraiser III erfüllte seinen Soll schließlich und ein abschließender vierter Teil sollte die Höllensaga beenden (Spoiler: Sie haben gelogen). Doch hier bahnte sich gleich das nächste große Debakel an, was nach der Übernahme des Franchise durch Dimension entstanden ist. Bevor ich darauf eingehe, muss aber vorher noch erwähnt werden, dass die sogenannte zweite Trilogie, obwohl nie wieder das Niveau der ersten beiden Filme erreicht wurde, durchaus noch sehenswert ist. Hellraiser IV-VI stufe ich dabei wesentlich stärker ein als Hellraiser III. Den tatsächlichen Tiefpunkt erreichte das Franchise erst wesentlich später.

Fungierte Hellraiser III sowohl als Prequel was den Charakter Pinhead angeht sowie als offizielle Fortsetzung von Hellraiser II, so leitete der Film auch den damals geplanten finalen Akt ein, Hellraiser IV: Bloodline. Mit diesem Film setzte man nicht nur wieder mehr auf Horror, man brachte auch die phantastischen Elemente zurück und wagte sich sogar ins Weltall. So kurios das ganze klingen mag und so unbeliebt der Film bei vielen Zuschauern ist, so funktioniert er einwandfrei. Die Entstehungsgeschichte hingegen war ein regelrechtes Debakel. Dies ging sogar so weit, dass Regisseur Kevin Yagher aus Vor- und Abspann entfernt wurde und fortan als der berüchtigte Alan Smithee bekannt wurde (ein Synonym für Filmemacher, die darauf bestehen, nicht mehr mit der Produktion des Filmes in Verbindung gebracht zu werden). Bereits ein simpler Blick auf den englischsprachigen Wikipedia-Eintrag des Films aus dem Jahr 1996 macht den problematischen Dreh deutlich und liefert eigentlich sämtliche Infos. Miramax bestand drauf, mehrere Szenen aus dem Film zu entfernen, neu zu drehen, Pinhead früher in den Film einzuführen und Hellraiser IV ein unspektakuläres Happy End zu verschaffen. Insgesamt fehlen zum Rough Cut rund 25 Minuten. Aufgrund des Disputs mit Miramax stieg Yagher aus dem Projekt aus und Joe Chappelle übernahm seinen Posten für die restlichen Szenen, die noch gedreht werden mussten. All der Aufwand seitens Miramax lohnte sich jedoch nicht, Hellraiser IV war ein kommerzieller Flop und die Kritiken waren durchweg negativ. In den vergangenen Jahren relativierte sich die Sicht auf Hellraiser IV bei vielen Fans, vermutlich auch weil besonders die letzten Ableger der Reihe den filmischen Tiefpunkt erreicht haben. Zu Hellraiser IV existiert noch ein offizieller Workprint, der in den letzten Jahren für Aufsehen gesorgt hat. Der Workprint stellt einige der verlorenen Szenen wieder her und gibt einen Ausblick darauf, wie die ursprüngliche Vision des Filmes aussah, doch auch der Workprint ist noch weit entfernt von der ursprünglichen Fassung. Hellraiser IV gilt als negatives Beispiel, wie sehr das Eingreifen des Studios in die künstlerische Leitung einen Film beeinträchtigen kann. Auf ähnlich schmalem Grad wandelte auch Disney, als sie gleiches bei dem ersten Star Wars Spin-Off Rogue One in die Wege leiteten, aber das ursprüngliche Team samt Regisseur weiter mit an Bord blieben und somit ein gelungener Film entstanden ist.

Und damit endet die Kinogeschichte von Hellraiser, fortan würde die Saga in den Videotheken weitergehen. Obwohl Teil 4 gleichzeitig auch für die gesamte Serie das Ende bedeuten sollte, so wollte sich Dimension von der Hellraiser-Lizenz nicht trennen. Und eine Zeit lang war das gar nicht mal eine so schlechte Idee. Man lernte aus den Fehlern und setzte auf junge Filmemacher und verringerte die Auftritte von Pinhead, die nun wieder mehr an seine geringe Interaktion aus dem ersten Film erinnerten. Man legte eine knapp 4 jährige Pause ein und mit Hellraiser V: Inferno folgte eine atmosphärische Video-Fortsetzung. Regie führte hier der damals noch recht unbekannte Scott Derrickson (Sinister, Doctor Strange), der ebenfalls fürs Drehbuch verantwortlich war. Der Twist an der Geschichte war, die Story von Inferno war nie als Hellraiser geplant und es kommen im Original Draft auch keine Cenobiten vor. Dimension machte es sich hier sehr einfach und um die Hellraiser Lizenz weiter nutzen zu können, baute man die Story einfach um. Dabei entstanden ist ein atmosphärischer, ziemlich surrealer Mysteryfilm den einige Kritiker mit Filmen wie Jacob's Ladder oder aber dem Videospiel Silent Hill verglichen haben. Hellraiser V: Inferno gilt bis heute als Geheimtipp der Reihe und überzeugt von der Machart als aber auch schauspielerisch.

Dimension ging diesen Weg 2002 mit Hellraiser VI: Hellseeker weiter und wenn auch bei den Kritiken weniger gut angekommen, so zählt der Film bei den Fans als letzter sehenswerter Ableger der Reihe. Was danach folgte, ist kaum noch erwähnenswert. Die Produktionskosten wurden geringer und die Reihe verwandelte sich zu einem generischen Slasher-Franchise, wo nicht einmal die Anwesenheit eines Lance Henriksen noch etwas positives ausrichten konnte.

Bis heute hat Bob Weinstein nicht vor, das Franchise auf die Kinoleinwand zurückzubringen. Doch er hat auch nicht vor, sich von der Lizenz zu trennen. Diese erneuert sich immer wieder, sobald ein neuer Film gedreht wird. Damit man die Lizenz behalten darf, wird so ein Schund wie wie Hellraiser: Revelations produziert. Schlüsselfiguren wie Clive Barker und auch Doug Bradley sind unlängst fort und Clive Barkers Drehbuch für ein Remake des Originals gehört ebenfalls der Vergangenheit an. Ob nun Barkers neuster Hellraiser-Roman "The Scarlet Gospels" jemals verfilmt wird bleibt ungewiss. Zuletzt hatte Dimension größeres Interesse daran, die Lizenz zu erneuern und veröffentlichte Hellraiser: Judgment. Hier soll laut Kritiker ein gewisser aufsteigender Trend zu erkennen sein, doch bringen die Aussagen einen zum schmunzeln wenn man auf das zurückblickt, was diese Reihe einmal in der Horrorwelt darstellte. Die amerikanischen Rechteinhaber haben keine konkreten Pläne, wie man mit dem Franchise fortfahren soll. Genau so wenig möchte man sich von seinem Spielzeug trennen. Derzeit zählt nur, es zu besitzen. So lange kann man es auf dem Dachboden etwas staub ansetzen lassen. Bald wird die Lizenz wieder erneuert werden müssen und somit sollte die nächste Fortsetzung gesichert sein.

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