Archiv: Rezensionen zu Literatur und Film

Freitag, 4. Mai 2018

Rezension: Die drei Sonnen (Cixin Liu)





Die Trisolaris-Trilogie 1


China 2006/2008

Die Drei Sonnen
Alternativ: Three-Body, The Three-Body Problem
Autor: Cixin Liu
Verlag: Heyne
Übersetzung: Martina Hasse
Genre: Hard Science-Fiction


Die bemerkenswerte Science-Fiction Trilogie von Cixin Liu hört auf den Titel "Earth's Past" oder ganz einfach "Three Body" (dem Begriff aus der Physik). Im Heimatland China sind die 3 Romane zwischen 2008 bis 2010 erschienen, international schwappte die Begeisterung erst einige Jahre später über (vermutlich besonders ab jenem Moment, als Ex-Präsident Obama das Buch lobte und einen gewissen Trost darin fand im Bezug auf sämtliche irdische Probleme, mit denen er sich zu seiner Amtszeit befassen musste). Da die Geschichte vorher noch in China in Kapitel abgedruckt wurde, geht die Entstehungsgeschichte sogar zurück bis ins Jahr 2006. Die Veröffentlichung in den USA heimste den Hugo Award ein und besonders viel Anerkennung generierte besonders die Übersetzung von Ken Liu (Übersetzer und Autor von Science-Fiction Literatur). Deutsche Leser mussten bis ende 2016 darauf warten, eine übersetzte Ausgabe in die Finger zu bekommen. Eine große Überraschung hierbei ist, der Heyne Verlag lizenzierte nicht die englischsprachige Übersetzung von Ken Liu (die sich übrigens inhaltlich und in einigen anderen Punkten wie Chronologie vom Original unterscheidet), sondern kreierte mit der Übersetzerin Martina Hasse eine Übersetzung der chinesischen Originalausgabe.

Abseits des Buches selbst ist es mindestens genau so interessant zu recherchieren, wie sehr Cixin Liu nicht nur bei seinem Heimatvolk polarisiert, sondern auch bei den internationalen Lesern. Wo es Anerkennung gibt, dort gibt es auch Kritik und umgekehrt. Im Fokus der Kritik steht meistens die Komplexität der Geschichte. Einige internationale Leser kritisieren auch die mangelnden Erklärungen für die geschichtlichen Hintergründe. Und genau hier gibt es einen Einspruch von mir. "Die Drei Sonnen" wurde nie für den westlichen Markt konzipiert. Und dies gilt für die gesamte Trilogie. Wir haben es hier mit einem Autor aus China zu tun, gewisse kulturelle Unterschiede sind hier unvermeidbar (auf den letzten Seiten gibt es ein ausführliches Register). Verzichtet ein ausländischer Verlag aber auf diese Teile der Geschichte, könnte man sich die Veröffentlichung auch komplett sparen. Einen größeren Teil des Kulturschocks wird hier wohl die Thematik rund um die chinesische Kulturrevolution sein (1966-1976). Das komplette Buch baut seine Geschichte auf dieses signifikante Ereignis in der chinesischen Geschichte auf. Cixin Liu beschreibt die Zustände überraschend schonungslos aber auch ausführlich. Für mich als Leser, der sich mit der Revolution bisher nicht großartig befasst hatte (ein Ereignis, welches das China heute so prägte, wie wir es kennen), ein interessantes Thema was noch ein bisschen zusätzliche Recherche nötig machte. Es könnte diese zusätzliche Recherche sein, die einige Leser vielleicht als etwas lästig ansehen könnten, da man bei einem Roman der Kategorie Science-Fiction gerne sofort und ohne geschichtliche Hintergründe in eine exotische Welt eintauchen möchte.

Und genau hier liegt der springende Punkt: "Die Drei Sonnen" ist klassische harte Science-Fiction. Diverse Ähnlichkeiten zu Asimovs Foundation-Trilogie werden gewiss nicht zufällig sein, unterstreichen aber, in welchen Kreisen sich Cixin Liu aufhält. Denn schon lange gab es nicht mehr eine Trilogie, die in so eine klassische Kerbe einschlägt. Und dennoch sind die Wissenschaften im Buch eher zweitrangig und auch für den Leser relativ leicht verständlich. In einem Interview mit chinesischen Studenten an einer britischen Universität gab Liu besonders amüsiert zu, er habe nicht einmal einen besonders starken Draht zur Physik.

"Die Drei Sonnen" kombiniert also gleich mehrere Genre. Historischer Roman, eine Hard Boiled Geschichte und klassische Science-Fiction. Und dennoch schafft es der Autor, diese völlig verschiedenen Elemente natürlich in seine Geschichte einzubauen. Wir haben es hier mit einer Geschichte zu tun, die sich über eine extrem lange Zeitspanne erstreckt. Doch der Ausgangspunkt dieser epischen Reise ist das Jahr 1967 mitten in der Kulturrevolution.

Jetzt habe ich zwar eine menge über das Buch geschrieben und meine Begeisterung ausgedrückt, doch schaffe ich es auch, die Geschichte zusammenzufassen für die Leute, die hier eine Empfehlung suchen? Kann ich nicht einfach die Frage beantworten, ob es in dieser Geschichte Außerirdische gibt? Nun, damit würde ich es mir etwas zu einfach machen. Mit den Trisolanern gibt es zwar eine außerirdische Rasse die sich auf der Erde niederlassen will, aber es ist eher das Wie und Warum und Weshalb, was man hier erklären müsste. Und hier liegt dann die bereits angesprochene Komplexität die den Rahmen einer Rezension sprengen würde. Was man für "Die Drei Sonnen" braucht ist Zeit und eine Liebe zur klassischen Science-Fiction. Sofern man vor hat, Band 1 dieser dreiteiligen Reihe zu lesen, der sollte vorher ein wenig über die Kulturrevolution stöbern, bevor er sich mit dem Buch befasst um so einen leichteren Einstieg zu haben.


Resümee

Ein Buch, etwas zu komplex um es gebührend in einer Rezension zu besprechen. Cixin Liu macht mit "Die Drei Sonnen" Werbung für die chinesische Literatur. Dass ausgerechnet aus China ein solcher Science-Fiction Knaller kommt, damit hätten wohl im Vorfeld nicht viele gerechnet. Besonders das Gebiet, auf dem Liu wandelt galt beinahe als ausgestorben. Diese Renaissance wird seine Leser mit einer Geschichte belohnen, die sich über Zeit und Raum erstreckt. Ich könnte noch Stunden über das Buch weiter plaudern, aber ich denke, jeder sollte "Die Drei Sonnen" für sich selbst entdecken (außerdem würden sämtliche Namen und Begriffe die Rezension unnötig verkomplizieren und den Plot vermutlich wirrer darstellen, als er ist). Man sollte sich jedoch bewusst sein, dass hier viel Konzentration vom Leser verlangt wird und sich die Ruhe antun sollte, denn sonst könnte es sein, dass man Gefahr läuft, aus der Geschichte geworfen zu werden. Wer sich darauf einlassen kann, der wird hier den Auftakt zu einer fantastischen Trilogie erleben.


Weiter geht es in einigen Tagen mit der Fortsetzung "Der dunkle Wald". Zusätzlich wird es demnächst noch einen Einwurf über Cixin Liu geben, wo ich ein wenig näher auf den Autor und seinen Stilmitteln eingehen werde.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen